Der facettenreiche Nationalpark

 

Er überrascht uns mit seiner Vielfältigkeit, dem Farbenspiel und seinen Dimensionen sowie der Dramatik von der ersten bis zur letzten Stunde. Wir wollen ihn auf keinen Fall verpassen und machen für ihn einen Abstecher in die USA. Gemäss Reiseführer muss man spätestens ab September mit Wintereinbrüchen und ab Oktober gar mit geschlossenen Strassen rechnen. Wir reden vom Yellowstone NP.
Gestern Abend hat er sich von uns mit einem grossflächigen Waldbrand unmittelbar neben der Strasse 191 dramatisch verabschiedet. Im Moment sitze ich Mitten im Tannenwald des Gallatin National Forest auf einem einfachen Campgroud und höre das Rauschen des Baches im Swan Creek. Für uns ist alles wieder friedlich. Was aber ist mit den Feuerwehrleuten, den Tieren und den Pflanzen im Waldbrandgebiet? Doch alles schön der Reihe nach.

 

Auch nach der im letzten Blog beschriebenen Wanderung überzeugt uns die Gegend um Revelstoke bei kürzeren Wanderungen oder beim Tagesausflug dem Revelstoke Lake entlang bis zur nächsten Staustufe des Columbia Rivers im Kinbasket Lake. Auf der 160 km langen Fahrt taleinwärts sehen wir, wie der See seine Farbe je nach Zufluss in den verschiedenen Armen wechselt, erblicken erneut «ewige» Schneefelder sowie die Rückseite der Bergriesen des Columbia Icefields im Jasper NP und durchfahren nicht mehr als 2 Ansammlungen von wenigen Häusern und die Werksiedlung des Mica Dam mit seinen ca. 10 Gebäuden. Daneben unberührte Natur soweit das Auge reicht, resp. klar abgesteckte Holzschläge. Die Schattenseite dieser abgeschiedenen Landschaft, das Gewitter vom Dienstag hat in der Umgebung ca. 30 Waldbrände ausgelöst, die bis zu unserer Abreise nicht vollständig gelöscht werden.

 

In den folgenden Tagen durchfahren wir bis Creston vorwiegend touristisch genutzte aber sehr abwechslungsreiche Landschaften. Dabei baden wir in den Nakusp Hot Springs, lassen uns von zwei kostenfreien Fähren über den Upper Arrow Lake und den Kootenay Lake transportieren, bummeln durch das im Westernstil erhaltene Downtown von Nelson und treffen in Creston auf intensive Landwirtschaft mit Gemüse-, Getreide- und Weinbau. Auf der vielbefahrenen Strasse Nr. 3 verlassen wir durch tiefe Täler mit viel Wald British Columbia. Welch ein Gegensatz! In Alberta fahren wir zuerst durch eine Hügellandschaft fast ohne Bäume mit intensivem Wintertourismus, um nach wenigen Kilometern in die unendlichen Weiten der Prärie einzutauchen.

 

Am folgenden Tag durchfahren wir sowohl den Waterton NP in Canada sowie auf der «Going-to-the-Sun Road» den Glacier NP in der USA. Beim ersteren haben Waldbrände schöne Wanderrouten unattraktiv gemacht. Bei über 30° C verzichten wir auf eine Wanderung im schattenlosen Umfeld. Fast Stossstange an Stossstange durchqueren wir den Zweitgenannten. Diese echte Passstrasse zwischen den gewaltigen Bergen mit ihren engen Stellen entspricht unserer Vorstellung. Der Dunst trübt zwar weiterhin die Fernsicht, trotzdem prägen sich eindrückliche Bilder in unsere Erinnerung. Der Weg zum Yellowstone NP führt uns zuerst wieder stundenlang durch die Prärie mit trockenen Rinderweiden und riesigen Getreidefeldern. Südlich von Great Falls durchfahren wir den vulkanischen Canyon des jungen Missouri Rivers. Die Interstate 15 und später die 90 führen danach abwechslungsweise durch Hügellandschaften und weite Ebenen. Sobald ein River die Landschaft durchfliesst, treten grüne Streifen aus der ausgetrockneten Landschaft hervor. Bei Bozeman treffen wir wieder auf die hohen und bewaldeten Berge der Rocky Mountains.

 

Am nächsten Tag fahren wir kurz nach 06.00 Uhr in den Yellowstone NP ein. Eine Herde Wapitis streift durch die Gebäudeansammlung von Mammoth Hot Springs; und wir nur wenig später auf den Holzbolen durch die stufenartig übereinander liegenden Kalziumterrassen. Welch ein Farbenschauspiel! Es wird durch die aufgehende Sonne noch verstärkt! Im Lamar Valley treffen wir auf die Bisonherden, ein Bild wie wir es aus den Western im Kino kennen.

 

Kurz vor dem Tower Fall dürfen wir einen ersten Blick in den Canyon of the Yellowstone werfen und wissen nun, warum der Nationalpark seinen Namen trägt. Noch eindrücklicher ist die Sicht auf dem Weg beim Canyon Village, wo auch die Wassermassen beim Lower Fall in die Tiefe stürzen. Wenig später beglücken uns am ruhig dahingleitenden Yellowstone River eine Schar Gänse.
Die unterschiedlichen Dämpfe und Farben im Sulphur Caldron, beim Mud Volcano, beim Grand Prismatic Spring und beim Norris Geyser Basin beeindrucken uns jedes auf seine Weise. Ja, und zum Besuch des Yellowstone NP gehört natürlich auch das regelmässige Schauspiel des noch aktiven Old Faithful Geyser. Plötzlich steigt nicht nur Dampf aus dem Schlot, sondern während ca. 3 Minuten schiesst Wasser wohl 20 Meter in die Höhe. Wenn der Wind nicht so stark geblasen hätte, wären die im Reiseführer angekündigten 30 Meter wohl erreicht worden. Zwischen diesen Schauplätzen fahren wir durch breite Plateaus mit glasklaren Wasserläufen, wandern zu einer Brücke über den Yellowstone River oder ruhen uns an einem schön angelegten Picknick-Platz im Walde aus. Selbstverständlich haben auch wir all diese Eindrücke nicht an einem Tag aufnehmen können und der heutige Schreibtag liegt ideal, um die vielen Bilder setzen zu lassen.