Juli 2008, Paddeltour Tyfors – Hällefors

 

An einem schwülheissen Nachmittag brechen wir mit dem bis zum letzten Winkel gefüllten Honda Jazz Richtung Schweden auf. Der Wetterbericht hat stürmische Winde und Gewitterfronten über Deutschland angekündigt, aber die Vorfreude auf unser Paddelabenteuer in den Wäldern von Mittelschweden ist zu gross um zu Hause auf besseres Wetter zu warten. Käthi und ich lenken unseren Minitransporter in dieser langen Nacht immer entlang der Gewitterfront bis nach Fehmarn. Minitransporter, weil der Honda neben unserem Gepäck auch einen Teil der Ausrüstung der 7 weiteren Gruppenmitglieder zu unserem Sammelplatz in Filipstad bringt. Richtung Lübeck begrüsst uns die aufgehende Sonne als unvergesslicher Feuerball. Auf der mit 300 Sonnentagen verwöhnten Insel erholen wir uns zwischen den Rapsfeldern in den folgenden 3 Tagen von den Strapazen der Anreise. Wir sammeln Feuersteine bei den Spaziergängen der Küste entlang, schlendern durch das schöne Städtchen Burg, besuchen das Wasservogelreservat Wallnau und vernehmen, dass Dänemark und Deutschland kürzlich einen Staatsvertrag abgeschlossen haben, um eine 20 km lange Brücke zwischen Puttgarden und Roedby zu bauen, die 2018 fertig gestellt sein sollte.

 

Zwei kurze Fährpassagen, die Fahrt durch einen Teil der grossflächigen Ackerbaugebiete von Dänemark sowie rund um Kopenhagen herum und schon betreten wir in Helsingborg zum ersten Mal den Boden von Schweden. Wir werden direkt auf die Autobahn geführt und durchqueren zuerst Acker- und Weideflächen. Schon bald tauchen wir in die unendlichen Wälder des Landes ein. In den Reiseführern wurden wir davor gewarnt, dass das Tankstellennetz sehr weitmaschig ist. Beruhigt stellen wir fest, dass mindestens den Hauptrouten entlang die Tankstellen so fleissig auftauchen wie im übrigen Europa! Unser Zelt bauen wir am Vidösternsee auf, geniessen die Ruhe und am Morgen werden wir von einem Vogelkonzert geweckt. So haben wir uns Schweden vorgestellt!

 

Am nächsten Abend treffen wir auf dem Campingplatz Munkeberg in Filipstad Familie Blaser. Neben den 3 Kindern, die uns bei allen Aktivitäten sehr unterstützen und vor allem mit den Sprüchen «Ursula du chasch das» (Divertimento) und «das bringt ja nüt Jeannine» (Flurin) für Aufheiterung sorgen, sind das die Gastrofachfrau (Einkauf und Einteilung der Lebensmittel und Zubereitung von Verwöhnmahlzeiten) und der Füsilier (Bau von Komforttoiletten aus Materialien in der Wildnis). In zwei gemieteten Stugas geniessen wir den Ferienstart. In diesen Tagen besuchen wir in der Umgebung eine stillgelegte Silbergrube, einen Trollweg und machen einen Ausflug an den Klarälven.

 

Es gibt Schwedenfahrer, die auch nach jahrelangen Besuchen keinen Elch in der freien Natur gesehen haben. Mit unserem Anfängerglück kreuzt schon in der ersten Woche ein stattlicher Elch unsere Fahrt durch die Bratforserheide. Er ist so schnell zwischen den Bäumen verschwunden, dass wir unmöglich ein Foto von ihm schiessen können. Am zweitletzten Tag in Schweden, sehen wir in der Ferne ein zweites Exemplar. Aber auch er kehrt in den Wald zurück, bevor unsere Kamera eingestellt ist. Auf der anderen Seite sind wir froh, dass die Begegnungen in einem genügenden Abstand stattgefunden haben; ein Zusammenstoss mit diesen grossen Tieren hätte definitiv unangenehme Folgen.

 

Am letzten Abend in Filipstad stossen noch der Pfadfinder (Feuerstellenbauer) und die Survival-Erfahrene (Programm an den Regentagen) zu unserer Gruppe. In Hällefors erhalten wir am darauffolgenden Tag von Sico Dob, dem Inhaber des «Kanotcenter Älghornet», eine umfassende Einführung in den Streckenverlauf und die Möglichkeiten auf dem von uns gewählten Streckenabschnitt des Svartälven. Nun gilt es noch die Lebensmittel für die grosse Gruppe für 8 Tage zu ergänzen, denn wir werden auf der ganzen Strecke keine Versorgungsmöglichkeit antreffen. Dank der Meisterleistung unserer Fachfrau haben wir am Ende unserer Tour noch ein paar kleine Resten und sind königlich verwöhnt worden. Die nächste Herausforderung ist das wasserdichte Verpacken nicht nur der Lebensmittel, sondern auch der Kleider, der Campingausrüstung und der übrigen persönlichen Gegenstände. Am frühen Nachmittag führt uns der Vermieter an die Einbootstelle in Tyfors und schon folgt die nächste Herausforderung! Die Fässer, die wasserdichten Säcke und die Kehrichtsäcke mit den weniger heiklen Gegenständen müssen so auf die drei Kanus verteilt werden, dass jedes mit den jeweils zwei Erwachsenen und einem Kind gleichmässig beladen und vor allem nicht überladen sind. Hier beim Start ist der Tiefgang beträchtlich. Wir meistern auch diese Aufgabe. Nach der Anspannung der letzten Tage sind wir froh, schon nach einer relativ kurzen Strecke unseren ersten Zeltplatz auf einer Insel zu finden.

In gut beladenen Kanus unterwegs

 

Auf dem Übernachtungsplatz gilt es jeweils schnell die Tarps, als Regenschutz, aufzustellen, die Feuerstelle einzurichten, die Zelte zu platzieren, die Boote sicher zu befestigen und eine Toilette zu bauen. Dann wird gekocht, gefischt, Holz und Beeren gesammelt, zur Wildbeobachtung aufgebrochen oder ausnahmsweise ein wenig gechillt. Das Wasser aus dem Fluss muss während zwanzig Minuten für Tee abgekocht werden. Bis auf die Saucen, die wir auf kleinen Campinggaskochern erwärmen, werden die warmen Mahlzeiten in einem offenen Kessel über dem Feuer gekocht. Der Rauch des Feuers gibt dem Wasser für den Tee und den Abwasch eine spezielle Note! Erstaunlich schnell ergeben sich die Rollen des Einzelnen in unserer Gruppe und wir werden ein schnelles, unkompliziertes Team.

 

In den folgenden Tagen paddeln wir auf dem Fluss und seinen zum See gestauten Bereichen. Wenn die Sonne genügend warm scheint, nehmen wir ein Bad im braunen Moorwasser. Die Staustufen müssen wir umtragen. Auch hier ist unser Teamgeist erneut gefordert. Dank den starken Alubooten und unseren gebündelten Kräften, meistern wir auch diese Hürden vortrefflich. Was machen wir aber an den zwei Tagen, an denen es einfach wie aus Kübeln schüttet? Dank den Informationen von Sico sind wir an beiden Tagen auf einem Platz mit Schutzhütte und können lesen, ausschlafen und uns von den Vortagen erholen. Wenn der Regen nachlässt, wird schnell ein Feuer entfacht und mit der glühenden Kohle ein Holzgegenstand geschaffen. Mit dem trockenen Seegras flechten wir eine Matte für einen Feuerkreis. Mit einem Bogen, dem Pappelholz und trockenem Gras entfachen wir Feuer. Braucht alles viel Zeit, Geduld und Übung. Zur Perfektion wären noch viele Regentage nötig.

 

Nach acht erfüllten und beglückenden Tagen in der Natur und auf wunderschönen Flussabschnitten landen wir wieder in Hällefors. Wohl noch nie haben wir die Dusche und das frisch angezogene Bett so genossen, wie im Vandrarhem von Els Dob an diesem Abend.

 

Zu viert fahren wir entlang dem Vätternsee und über die Öresundbrücke sowie einem Besuch von Legoland in Byland zurück in die Schweiz.

 

 

In bester Erinnerung bleiben uns:

  • die feurigen Sonnenuntergänge
  • die Gewitter in den Nächten
  • die schwedischen Sommerregengüsse
  • die Bettflaschen aus PET
  • das Rufen der Gänse und das protestieren der Kraniche, die wir nie zu Gesicht bekamen
  • die Seeschwalben mit ihrem ausdauernden Gezicke
  • die gegrillten Fische zum Z’morgen
  • das feine selbst gebackene Steckenbrot
  • die köstlichen Eintöpfe
  • die Beeren-Haferflocken-Müesli

 

Gehört halt auch zu einem Abenteuer:

  • der von Mücken arg zerstochene Jüngste im Team
  • der beissende Ausschlag des Schreibenden, der sich nachträglich als Beerenunverträglichkeit herausstellt