September 2019, Ikea und wir

 

Wir haben uns in die Schärenlandschaft Schwedens verliebt und daher wandern wir auch in den kommenden Tagen noch mehrmals durch Naturreservate an der Küste. Zuerst in Sandarne, nach der Hauptstadt dann bei Nynäs sowie in Nyköping und zum Abschluss in Västervik. Auf den Campingplätzen in Südschweden ist es recht ruhig geworden und wir bekommen meist schöne Plätze, wo wir etwas mehr Freiraum rund um uns herum und/oder einen schönen Ausblick auf die Küste oder auf einen See geniessen. Die Vorzüge unserer Art zu Reisen erleben wir einmal mehr bei unserem spontanen Halt auf dem Sandvik CG in der Nähe von Nynäs. Aus lauter Neugier ob der Campingplatz trotz anderslautenden Angaben in den Campingführern noch offen ist, zweigen wir von der Strasse 219 ab. Nach 6 km finden wir das noch offenen Gelände in einer Mulde gegen das Meer, welches auf drei Seiten von Wald umgeben ist. Gut unterhaltene Wanderwege führen an die Schärenküste. Ein einfacher aber sauberer Platz in einer ruhigen Umgebung, was wollen wir mehr.

 

Doch zunächst erweisen wir, bei unserem 5. Schwedentrip, der Hauptstadt zum ersten Mal die Ehre. Der CG Bredäng liegt ideal, da die Metro-Station nur 700 m vom Platz entfernt ist. Vom modern gestalteten Platz über dem Hauptbahnhof schlendern wir durch die lange Fussgängerzone mit ihren ehrwürdigen Gebäuden. Natürlich genehmigen wir uns im Café «Schweizer» eine Chai-Latte mit … und amüsieren uns über die Wände voller Unterschriften sowie über die Stuhlunikate an jedem Tischchen.

 

Café Schweizer

 

Am Ende der langen Gasse setzen wir mit dem Schiff nach Djurgard über. Beim ABBA-Museum müssen wir prüfen, ob unser Kopf nicht zu einem dieser Stars passt, wir sind definitiv keine Doppelgänger. In den prächtig bepflanzten Parkanlagen erheben sich weitere kolossale historische Gebäude, in denen sich meistens ein Museum befindet. Die Eingänge der Gartenanlagen sind mit kunstvollen Toren verziert. Von den Wasserstrassen aus, die Stockholm durchziehen, sehen wir unzählige Baukräne und ganze Reihen von Baucontainern. Die Stadt muss florieren. Auf dem Rückweg durch die Fussgängerzone werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Schlossanlage mit den strammstehenden Wachen in ihren schmucken Uniformen. Da die Abendsonne die engen Gassen nicht mehr erreicht, stöbern wir in den Auslagen eines Warenhauses, direkt über dem Zentralbahnhof. Als wir herauskommen, hat sich der Himmel bedrohlich überzogen und wir erreichen den Campingplatz kurz vor einem der bekannten schwedischen Sommerregen.

 

Besonders eindrücklich erleben wir die Schärenlandschaft zu Fuss im Naturreservat Stendörren. Auch hier ein Naturum mit vielen Informationen zu den Schären und den sich im Meer tummelnden Lebewesen sowie zum Klimawandel und den Gefahren durch die Umweltverschmutzung. Nicht erstaunlich, dass sich gerade mehrere Schulklassen auf dem Areal befinden, da dieses Zentrum ausgesprochen auf die jüngeren Besucher ausgerichtet ist. Nach dem kurzen Spaziergang zur Ausstellung können wir über Fusswege von einer Schäreninsel zur nächsten spazieren und nur einmal den Parkplatz wechseln. Die einzelnen Inseln sind unter sich mit Fussgängerbrücken verbunden. Aber wir sehen auch Segelschiffe und Ruderboote, die ihren Kurs durch das Insellabyrinth nehmen, wohl ein ebenso imposanter Blickwinkel.

 

In Kalmar verlassen wir die Küste und besuchen den erst kürzlich gegründeten Asnen Nationalpark, der vorwiegend aus der vielfältigen Seenlandschaft besteht. In Ryd beziehen wir für zwei Nächte einen Stellplatz auf Getnö Gard. Wir geniessen die Ruhe auf diesem abgelegenen Campingplatz und wandern durch den zum Teil intensiv bewirtschafteten Wald bis ans Ende der Halbinsel. Welch ein erholsamer Ausblick bietet der ruhig vor uns liegende See mit seinen Landzungen und Inseln. Wie es wohl hier im Hochsommer aussieht, wenn der Platz gefüllt ist und die Oberfläche des Sees von Scharen von Ruderbooten durchschnitten wird. Bei der Weiterreise wandern wir vom Osteingang durch einen Abschnitt des Nationalparks mit seinem grossen Bestand an alten Buchen und Eichen. Ein letztes Mal geniessen wir dabei den Ausblick auf den See.

 

Durch das ländliche Smaland erreichen wir auf schmalen Strassen, die oft von gepflegten Obstanlagen, Weiden und Äckern gesäumt sind, die Strasse Nr. 23 auf der wir schon bald Älmhult erreichen. Ikea, das verrückte Möbelhaus aus Schweden, eroberte die Welt von dieser Stadt aus. Im kürzlich eröffneten Museum finden wir uns bekannte Möbel und das Cover vom Katalog aus dem Jahre 1976 erinnert uns an unsere in jenem Jahr ersten selbstgekauften Möbel, die wir in Spreitenbach abholten. 1973 war der erste Möbelabholmarkt in der Schweiz eröffnet worden. Wie viele Stunden haben wir Montageanleitungen gelesen und Schrauben gedreht, bis wir unser bescheidenes Zuhause in Leimbach wohnlich eingerichtet hatten. Manches Stück von damals hat uns über mehrere Wohnungswechsel begleitet und die zwei treusten Schränke stehen auch heute noch in unserem Heim. Selbstverständlich ist die Präsentation im grosszügigen Verkaufslokal am Rande der Stadt wesentlich aufwendiger und weitläufiger als damals in Spreitenbach. Das Design, das Preis/Leistungsverhältnis und die Qualität scheinen uns aber auch heute, trotz den vielen Nachahmern, konkurrenzlos. Die Stadt kann noch mit einem weiteren Höhepunkt trumpfen: das Kaffee Muff. Besonders die würzige Chai-Latte und sein veganes Mittagsbuffet sind ebenso einen Besuch wert! Die liebevolle Ausstattung und die gute Stimmung lassen einem die Zeit vergessen.

 

Eigentlich haben wir uns schon damit abgefunden, dass wir auf dieser Reise keinen Elch sehen. Doch kurz nachdem wir Älmhult verlassen haben, quert ein prächtiges Tier die Schnellstrasse. «Wo ist das I-Phone.» «Gib mir die Kamera!» Das ist wieder eine Aufregung und Hektik! Ich platziere den T6 einfach am Strassenrand, was bei der Verkehrsdichte in der Schweiz eine Katastrophe wäre. Bevor ich das Seitenfenster heruntergelassen habe und die Kamera einsatzbereit ist, verschwindet der Elch im Wald! Schade! Doch was ist jetzt? Das Tier hat wohl Erbarmen mit uns Schweizern und kehrt für einen Augenblick an den Waldrand zurück. Keine Starfoto aber ein brauchbares Bild gelingt nun doch noch. Danke Elch!

Verabschiedung auf Schwedisch

 

Am Abend stehen wir im Charlottenlund Fort CG, bestens behütet von den Geschützen dieser Festung. Wiederum können wir mit dem ÖV ins Zentrum von Kopenhagen fahren. Wir sind erstaunt, wie viele Touristen durch die Stadt bummeln und müssen uns an die unzähligen Velofahrer sowie an ihren Vortritt auf den Radwegen auf den Kreuzungen gewöhnen. Da kann man als Fussgänger nicht mehr einfach gedankenverloren die nächste Sehenswürdigkeit anpeilen. Die kunstvollen Bauwerke könnte man problemlos auf einem Rundgang besuchen, nur leider stimmt auch heute der Wetterbericht nicht. Die in Aussicht gestellten Aufhellungen für den Nachmittag werden vom intensiven Regen davon gespült. So kehren wir früher als geplant zum Fort zurück und lassen unsere Zeit in Skandinavien bei einem gediegenen Abendessen im Restaurant auf dem Festungswall ausklingen. Skandinavien, wenn wir gesund bleiben dürfen, kommen wir sicher wieder!

 

Da wir eine Alternative für die staugeplagte A7 in Deutschland suchen, fahren wir in den folgenden Tagen östlich von ihr heimwärts. Es zeigt sich aber, dass diese Route nur bei genügend Zeit gewählt werden darf. Die Autobahnen sind erst in Bau, weiträumige Umleitungen auf den Schnellstrassen an der Tagesordnung und die Linienführung durch Nürnberg Richtung Augsburg für uns sehr speziell und zeitraubend. Trotzdem gefällt uns die Fahrt durch die endlosen Weiten und unter den Eichenalleen von Mecklenburg, die leuchtenden Farben der Wälder im östlichen Harz, die Hügelzüge in Thüringen sowie die liebliche Landschaft in der Fränkischen Schweiz. Wir können uns gut vorstellen, dass wir diese Landschaften einmal während einem ausgiebigen Besuch im Detail kennen lernen.