Traumhafte Felsküsten und plötzlich ist nichts mehr wie es war…
Unglaublich, aber unser neuer Campingplatz liegt sehr ruhig, hat neuste Sanitärgebäude und viele freie Plätze! Liegt es an der steilen Einfahrt, am Wort «Eco-Camping» oder etwa am kühlen Wind? Am prall gefüllten Campingplatz an der Hauptstrasse nur wenige Kilometer von uns entfernt, dürften weder die Temperaturen und schon gar nicht der Wind angenehmer sein, denn unser Stellplatz liegt in einem kleinen Tal und ist daher der Bise weit weniger ausgesetzt. Manchmal lohnt sich eine minimale Reiseplanung und ein wenig Glück gehört auch dazu.
Apropos Glück! Wo ist das Glück, wenn wir seit 3 Wochen zu Hause sind, unter der Woche ein bis zwei Enkelkinder hüten und versuchen Heimunterricht zu erteilen? Geplant war, dass wir erst kurz vor Ostern wieder in Fürstenau ankommen. Das Ende unserer Reise kam einmal mehr überraschend und ohne Vorwarnung. Nein, dieses Mal nicht in Form einer Störungsmeldung des T6, der läuft seit Jonköping wie eine Schweizer Uhr, sondern in Form einer WhatsApp Nachricht. Unser Sohn und Vater von drei Kindern hatte einen schweren Arbeitsunfall und lag im Spital. Da war es fertig mit dem Genusswandern. Trotzdem hatten wir, im Zusammenhang mit den Reisebeschränkungen bei der Corona-Virus-Pandemie riesiges Glück. Wir konnten ohne Hürden in 3 Tagen von der Algarve nach Hause düsen. Auch unser Sohn hatte grosses Glück im Unglück, sein Unfall hätte mit viel schlimmeren Folgen enden können.
Nun aber zurück an die Traumküsten der Felsenargarve. Da der Wetterbericht für heute nicht strahlenden Sonnenschein ankündigt und der Wind die Wolken über den Himmel jagt, wollen wir durch die Gassen von Lagos flanieren und unsere Vorräte aufstocken. Wohl nur dank der Nebensaison finden wir am Quai einen Parkplatz und bummeln auf der breiten Promenade, als uns eine Bootstourvermittlerin anspricht. Ich verdrehe nur die Augen und will weiter, da gemäss Reiseführer sagenhafte Preise für solche Touren verlangt werden. Käthi aber lässt sich auf ein Gespräch ein und weil der blaue Himmel überraschend einen sonnigen Nachmittag verspricht, kann uns die Agentin zu einer Schifffahrt zu den Steilküsten überreden. Bis zur Abfahrt reicht es gerade noch für einen Espresso und ein Pasteis de Nata. Ist das fein!
Küste beim Ponta da Piedade
Zur vereinbarten Zeit stehen nur wir beiden vor dem Hafeneingang und trotz des sehr bescheidenen Preises, bietet uns der Bootsführer von «Happytime» in der nun folgenden Stunde eine unvergessliche Tour zu den Grotten und Felstoren unter dem bekannten Ponta da Piedade. Die Höhepunkte dieser persönlichen Tour mit dem Kapitän aus Brasilien sind: gekonnte Einfahrt in Grotten, Hinweise zu den speziellen Gebilden, professionelles Surfen auf den Wellen und Spritztouren mit voller Kraft zwischen den Felswänden. Wir merken bald, dass er nicht nur sein Boot, sondern auch die Felsen kennt und die Bewegungen des Meeres genau beobachtet. Ein einmaliger Service! Danke viel Mal, das ist Gästebetreuung auf höchstem Niveau.
Im Abendlicht spazieren wir auf dem Landweg über diesen Küstenabschnitt und wechseln so die Perspektiven. Die aufwendige Auswahl der besten Fotos ist dann am nächsten Tag der Preis für diesen perfekten Nachmittag. Auf dem Rückweg zum Camping stimmt zudem das Angebot im Hyper Intermarché von Lagos sowie die Höhe im dazugehörigen Parkhaus.
Das wechselhafte Wetter bietet uns am nächsten Vormittag eine Erholungsphase und gegen Abend können wir trotzdem noch von Salema aus der Küste entlang an die Praia Figueira wandern. An drei weiteren Tagen wandern wir der vielfältigen Steilküste entlang. Jede Wanderung bietet auf ihre Art einmalige Ausblicke in weitere Dolinen, Grotten und Felsenbogen und die Blütenpracht entzückt uns immer wieder von neuem. Unglaublich diese fragile Felsenküste mit ihren gut markierten Wanderwegen auf überschaubarem Raum.
Auch das Landesinnere bietet abwechslungsreiche Wanderungen. An einem Tag wandern wir entlang dem Barragem da Bravura durch blühende Eukalyptusbäume. An einem anderen Tag schockiert uns zuerst die Antennenansammlung auf dem Foia, dem höchsten Punkt der Algarve. Später versöhnen wir uns, nur wenige Kilometer davon entfernt, bei einer Wanderung unter Korkeichen oberhalb von Marmelete mit dieser Landschaft. Der Outdoor Wanderführer hat uns während knapp 14 Tagen in schöne Gebiete in die Natur der Algarve geführt.
Korkrinden
Unvergesslich bleibt uns der Besuch des südlichsten Punkts von Portugal und des westlichsten Punktes von Europas Festland am gleichen Tag. Der Wind bläst uns an diesem Tag fast über die Klippen, sorgt aber bis zum Abend für einen wolkenlosen Himmel. Die schäumende Brandung spritzt die Felsen hoch und die Gischt bildet im Sonnenschein kleine vergängliche Regenbogen und spritzt imposant aus einer Grotte heraus, als eine Welle darin gestoppt wird. Der Ponta de Sagres ist eine eindrückliche historische Festungsanlage an der Südspitze. An der äussersten Ecke umspült das Wasser des Atlantiks das Festland wohl zu zwei Dritteln. Noch besser gefällt uns der Cabo da Sao Vincente. Der Leuchtturm und die übrigen Gebäude sind gut unterhalten und der liebevoll verzierte Cappuccino im Café ist eigentlich viel zu schön um getrunken zu werden. Den perfekten Abschluss dieses Tages bietet uns der Sonnenuntergang, zwar nicht direkt ins Meer aber doch nur hinter einem ganz dünnen Wolkenband.
Auf dem Rückweg in die Schweiz können wir uns nochmals von der abwechslungsreichen Landschaft in Portugal überzeugen. Wir fahren durch weite Weideflächen, Korkeichen- und Ackerfelder und wir überqueren grosse fruchtbare Flusslandschaften. Damit wir vorwärtskommen fahren wir nördlich von Albufeira auf die A2 und nehmen östlich von Lisboa die A13 über Santarém bis Torres Novas. Von dort folgen wir dem Rio Tejo bergwärts, durchqueren Hügel- und Bergketten, lassen Castelo Branco rechts von uns liegen, gewinnen bis Guarda immer mehr an Höhe und nächtigen nach gut 600 km auf einem Camping in Melo bei Gouveia. Die Zusatzstrecke zum Camping lohnt sich, liegt er doch ruhig auf einem ehemaligen Weingut über der fruchtbaren Ebene.
Gut erholt, rollen wir am nächsten Morgen Richtung Spanien. Portugal verabschiedet sich mit runden Felsformationen, die uns an den Joshua Tree Nationalpark erinnern und wohl auch vulkanischen Ursprung haben. Auf Wiedersehen Portugal, nach Möglichkeit kommen wir wieder, denn die Gastfreundschaft und die Landschaft haben uns gefallen.
Rioja
Über Salamanca, Valladolid und Burgos erreichen wir Miranda, wo wir einen weiteren Haken südwärts schlagen, um über Logrono auf den Campingplatz in Bendigorria zu gelangen. Die Ebenen in Spanien sind unendlich und die Felder entsprechend grösser. Speziell sind heute die weissen Minen sowie die Verarbeitungsindustrie, die uns zwischen Valladolid und Burgos über eine lange Strecke begleiten. Entlang dem Rio Ebro bekommen wir einen kurzen Eindruck vom Weinanbaugebiet im Rioja. Gegen das Tagesziel gelangen wir in die Ausläufer der Pyrenäen. Auf dem Campingplatz erfahren wir, dass Spanien, wie viele andere Staaten in Europa, drastische Massnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie beschlossen hat. Der Campingplatz bleibt nach diesem Wochenende auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Am Morgen fahren wir auf der Autobahn Richtung San Sebastian durch die Pyrenäen um kurz darauf Frankreich zu erreichen. Die unsichere Situation bezüglich Reisebeschränkungen wegen Covid 19 motivieren uns, über Bordeaux und durch das Pèrigord sowie über Lyon möglichst schnell die Schweizergrenze in Genf zu erreichen. Die Fahrt durch das frühlingshafte Frankreich ist mit Ausnahme der intensiv befahrenen Strecke bis Bordeaux entspannend und die Aussicht auf den Puy de Dôme für uns noch nie so klar wie heute. Glücklich reisen wir ohne aussergewöhnliche Kontrolle in die Schweiz ein. Ohne Stau erreichen wir nach Mitternacht Fürstenau. Müde aber glücklich, dass die Fahrt problemlos verlaufen ist, fallen wir in unsere Betten.
Wann dürfen wir wohl das nächste Mal zu einer solch abwechslungsreichen Reise aufbrechen?